Dario Principi untersucht seit 2020 die Rentabilität eines landwirtschaftlichen Permakultur-Systems in der Schweiz von dessen Entstehung bis zu den ersten Betriebsjahren. Adrian Reutimann von der Kompetenzplattform Permakultur Landwirtschaft sprach mit ihm über erste Resultate.
Kannst Du schon Rückschlüsse ziehen, ob sich permakulturelle Landwirtschaft rechnet?
Die ersten Resultate der Fallstudie lassen darauf schließen, dass Permakultur-Landwirtschaft wirtschaftlich rentabel betrieben werden kann. Der erwirtschaftete Stundenverdienst ist vergleichbar mit dem durchschnittlichen Verdienst in der Schweizer Talregion. Das allein ist bereits eine sehr gute Nachricht. Allerdings muss beachtet werden, dass die Permakultur-Landwirtschaft ein enorm breites Feld ist und es sich bei dieser Studie um ein einzelnes Projekt handelt. Deswegen sind die Resultate nicht eins zu eins auf andere Betriebe übertragbar. Trotzdem sind es spannende erste Zahlen, welche zuversichtlich stimmen. Besonders interessant ist, dass die Resultate bereits im ersten Jahr so gut ausfallen.
Wie ist der Ertrag im Vergleich zu biodynamischen, biologischen oder konventionellen Flächen?
Grundsätzlich sehen wir, dass der Ertrag pro Flächeneinheit recht hoch ist. Dies lässt sich durch die gestaffelte Nutzung der Fläche und die verschiedenen Etagen im System erklären. Insbesondere durch das Etagensystem, aber auch durch den Umstand, dass wir nur wenig mechanisiert sind, haben wir auf unserer Fläche beinahe die 3-fache Dichte eines konventionellen Produktionssystems, insbesondere bei Obst und Beeren. Zudem hilft uns der Umstand, dass sich Permakultur-Systeme noch entwickeln und verändern dürfen. So können wir die Zwischenräume in einer Niederstamm-Obstanlage in den ersten Jahren für den Anbau von Kräutern, Beeren und Kürbis nutzen und erst wenn sich die Kronen schließen auf einen extensiveren Bewuchs umstellen.
Wo sind die Systemgrenzen bei der Betrachtung?
Das analysierte Permakultur-System misst rund 2000 qm. Es ist mit verschiedenen Elementen wie Beeren- und Gemüsebeeten, Hochstammobstbäumen mit Obstbaumlebensgemeinschaften sowie Blumen und einem Teich strukturiert. Die Fläche wird an drei Seiten von einer Hecke mit diversem Wildobst umschlossen. Diese Hecken bilden den Abschluss des Systems, gehören aber noch dazu. Innerhalb dieses Bereichs werden alle verrichteten Arbeiten, benötigten Materialien, Maschinen und Werkzeuge sowie die Erträge minutiös aufgezeichnet. Die verkaufsfertigen Produkte werden gewogen und anschließend im Hofladen verkauft. Momentan haben wir rund 100 verschiedene nutzbare Pflanzen im System. Diese reichen von Obst, Beeren und Wildobst über Kräuter und essbare Blumen bis zu verschiedenen Gemüsearten.
Auf welche Gestaltungsprinzipien wurde bei der Umsetzung geachtet und welche Elemente sind dabei rentabel?
In unserem System sind insbesondere die mehrjährigen Pflanzen interessant, da sie wenig Pflege benötigen und trotzdem gute Erträge abwerfen. Auch ist es bei mehrjährigen Pflanzen besser möglich, über mehrere Etagen zu produzieren, was für die Produktivität, aber auch für den Pflegeaufwand zentral ist. Zum Beispielbenötigt ein Beet mit Hochstamm- und Niederstammobst, Himbeeren, diversen Strauchbeeren und Erdbeeren sowie Kräutern nur sehr wenig Pflegeaufwand, da der Boden ständig bedeckt ist und sich dieBeeren selber vermehren. Die wichtigsten Permakultur-Prinzipien sind für mich die Nummer eins: Beobachte und interagiere und die Nummer vier: Wende Selbstregulierung an und lerne aus Feedback. Dieses Prinzip versuche ich besonders zu berücksichtigen.
Was würdest Du in der nächsten Saison anders machen?
Grundsätzlich ist es immer ein Abwägen zwischen zwei Hauptansätzen. Einerseits kann man wachsen lassen und sich selbst zurückhalten. Das macht dann weniger Pflegeaufwand, kann aber auch zur Folge haben, dass einzelne Sachen nicht so wachsen wie gewünscht. Andererseits kann man Eingriffe im System vornehmen, womit man dann gewisse Ziele verfolgen kann, muss sich aber immer bewusst sein, dass die investierte Zeit auch irgendwie wieder »zurückerwirtschaftet« werden muss. Dieses Jahr habe ich mich im System stark mit Pflegearbeiten zurückgehalten. Das ist auch ein positiver Effekt der mehrjährigen Mischkultur: Es geht nichtalles kaputt, wenn man mal zwei bis drei Wochen nicht da ist. Nächstes Jahr wird wahrscheinlich wieder etwas mehr Pflege nötig sein. Insbesondere möchte ich verschiedene Beeren und Obst vermehren, aber auch neue mehrjährige Nutzpflanzen ins System bringen, um die Vielfalt und damit die Stabilität des Systems zu erhöhen.
Wie könnte die Rentabilität noch gesteigert werden?
Das kann man nicht einfach so beantworten. Wichtig ist sicher, dass man immer im Kopf behält, dass es drei Möglichkeiten gibt, um die Rentabilität zu verbessern: 1. Erhöhung der Erträge, 2. Reduktion der Arbeitsstunden und 3. Reduktion der benötigten Ressourcen. Um die Erträge zu erhöhen, muss man oft mehr Arbeitsstunden aufwenden, deswegen bin ich da vorsichtig. In unserem System wird sicher die Zeit selbst eine Ertragssteigerung mit sich bringen, da viele Pflanzen wie z. B. Spargel, Obstbäume, Trauben, Kiwi undgewisse Beeren erst mit der Zeit ihr volles Potenzial ausschöpfen.
Die Arbeitsstunden zu reduzieren ist in einem gut designten System grundsätzlich einfach, da sich vieles auch selbst reguliert und gar nicht so viel Pflege braucht, wie man im ersten Moment glaubt. Wie in der letzten Frage bereits angedeutet, gilt es da aber darauf zu achten, dass die Pflege nicht so stark sinkt, dass das System an Stabilität einbüßt, z. B. durch Problembeikräuter.
Den letzten Ansatz, die Reduktion der benötigten Ressourcen, finde ich persönlich den interessantesten, da wir dort doppelt »Gutes« tun können. Wir reduzieren den Ressourcenverbrauch und steigern unsere Rentabilität. An dieser Stelle gibt es immer Optimierungspotenzial. Man kann natürliche Lösungen finden, um Maschinen zu ersetzen. Oder mehrjährige Pflanzen einsetzen, statt den Boden zu bearbeiten. Setzlinge kann man reduzieren, indem man mehr Pflanzen aus dem bestehenden System vermehrt oder auf natürliche Versamung setzt.
Funktioniert das auch mit anderen Kulturen, z. B. mit Getreide?
Jetzt wird es wirklich interessant (lacht). Hier müssen wir noch einmal einen Schritt zurück machen und uns fragen: »Was ist eigentlich Permakultur?«. Für mich ist auch einjähriges Gemüse in Reihenkultur Permakultur. Für mich ist auch Getreide in einer guten Fruchtfolge, vielleicht noch in Kombination mit Agroforst Permakultur. Auch eine extensive Wiese oder eine intensive Weide mit Strukturelementen wieFutterhecken ist für mich Permakultur. Von all diesen Produktionssystemen wissen wir bereits heute, dass sie wirtschaftlich rentabel sind. Es gilt einfach bei jeder Kultur und jedem Produktionssystem abzuwägen, wie sich Aufwand und Ertrag die Waage halten, ob die externen Effekte auf Natur und Mensch tragbar sind und ob Verbesserungen am System vorgenommen werden können.
Ich würde nach meiner Erfahrung niemandem empfehlen, seinen Erwerbsanbau von Gemüse in eine komplette Mischkultur umzustellen, da diese Produktionsform bei dieser Kultur einfach wenig Sinn macht. Eine Produktion in Reihen(-Mischkultur) bei tiefem Pflanzenschutzmitteleinsatz in Kombination mit Strukturelementen wie Hecken oder Obstbäumen kann genauso den Prinzipien der Permakultur entsprechen.
Benötige ich eine Permakulturausbildung, um Permakultur-Landwirtschaft zu betreiben?
Für eine Planung und Umsetzung auf dem eigenen Betrieb ist sicher ein breites Basiswissen wichtig. Das kann man sich in Kursen, mithilfe von Literatur, im Internet oder in den Ausbildungsangeboten zu Permakultur beschaffen. Die momentanen Ausbildungen sind noch zu wenig auf die Landwirtschaft ausgerichtet. Einen Permakultur Design Kurs zu besuchen, kann sicher interessant sein, um einen ersten Einblick in die Permakultur zu erhaschen, aber eigentlich bräuchte es einen spezifischen Permakultur DesignKurs für Landwirte, welcher auch von Landwirten organisiert wird.
Die Realität auf den Betrieben ist oft anders als in der Permakultur-Philosophie und der Spielraum für Veränderungen meist nicht groß. Da braucht es klare und nachvollziehbare Werkzeuge für erste Schritte, bei denen Aufwand und Ertrag für die Landwirte stimmen. Einen Leitfaden für die Weiterentwicklung von »konventionellen« Betrieben Richtung Permakultur entwickeln wir im Moment am Inforama in Zollikofen(= Bildungszentrum für Landwirtschaft im Kanton Bern). Dieser Leitfaden soll die Planungswerkzeugeder Permakultur sowie anschauliche Praxisbeispiele enthalten.
Zugleich muss man auch beachten, dass man als Permakulturpraktiker nie ausgelernt hat. Es gibt immer wieder Neues zu entdecken und deshalb ist es zentral, dass man immer wieder unvoreingenommen schaut, was einem die Natur mitteilen will.
Was empfiehlst Du einem Betrieb, wenn er mit Permakultur starten möchte?
Das kommt auf den Betrieb und seine Betriebszweige an. Grundsätzlich kann ich allen Betrieben empfehlen, wieder mehr mehrjährige Strukturen auf die Felder zu bringen. Damit erhöhen wir die Resilienz der Produktionssysteme, fördern die Biodiversität, schaffen neue Einnahmequellen und verbessern das Landschaftsbild. Diese mehrjährigen Strukturen können Futterhecken in Weiden, Agroforst in Acker- und Gemüsebau oder Hecken in Wiesen sein. Auch bei der Nutztierhaltung gibt es Möglichkeiten wie die Freilandhaltung von Schweinen, die hauptsächliche Weidehaltung von Wiederkäuern oder der Einsatz von Hühnern als Schädlingsregulatoren im Obst- und Beerenbau.
Zudem würde ich jedem Betrieb empfehlen, die Möglichkeiten der Direktvermarktung (auch in Zusammenarbeit mit anderen Landwirten) und der solidarischen Landwirtschaft mit sich selbst und dem Umfeld abzuklären. Beide Möglichkeiten erhöhen die Sicherheit und die Wertschöpfung auf dem Betrieb und lösen Abhängigkeiten.
Wie geht es mit der Forschung weiter?
Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung werden wir weiter fortführen, da vor allem die langfristigen Zahlen interessant sind. Unser Projekt wurde auch bereits bei der Planung und Umsetzung minutiös dokumentiert und somit sind die genauen Umsetzungskosten, benötigten Materialien und der Arbeitsaufwand bekannt. Diese einmalige Datengrundlage möchten wir nutzen, um solide Aussagen machen zu können. Grundsätzlich denke ich, dass die Stabilität des Systems der zentrale Faktor ist, welcher über den ökonomischen, ökologischen und sozialen Erfolg entscheidet.
Die Stabilität wird vor allem durch die Vielfalt garantiert. Bei einer hohen Vielfalt an Pflanzen, Strukturen und Tieren im System ist immer ein Organismus da, der den Platz oder die anfallenden Ressourcen einesanderen Organismus verwenden kann. Deswegen wird mein Ziel in den nächsten Jahren sein, die Vielfalt zu erhöhen, indem ich neue Strukturelemente und Pflanzen ins System einbringe.
Wo kann ich die Resultate Deiner Analyse finden?
Die Resultate werden im Laufe dieses Jahres online verfügbar sein und auf der Website und im Newsletter der Kompetenzplattform Permakultur-Landwirtschaft veröffentlicht. Wer sich für die Ergebnisse interessiert, kann sich gern bei mir melden unter dario.principi@hotmail.ch.
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